Fallout: Texas - Kapitel 3

Die beiden Männer drehen sich um und betrachten den Besuch. Der Blonde, die Stirn voll mit schwarzer Schmiere, mustert Carol kurz, bevor er antwortet. "Ach ja? Wer ist denn 'wir' und wo soll's denn hingehen?"

Carol nickt langsam, als der Andere nachbohrt.

"5 Mann mit überwiegend leichtem Gepäck. Wir vier und dann noch ein Großer. Wir wollen in den nächsten Tagen nach Corpus Christi. Fährst du so weite Strecken? Notfalls reicht es auch, wenn wir den größeren Caravan aufholen der vor zwei Tagen in die Richtung los ist. Wollten erst mal hören mit welcher Preisspanne wir rechnen können, bevor wir unser Geld zusammenkratzen."

Mit anderen Worten - viel Geld haben sie nicht. Aber so sehen sie vermutlich auch nicht aus.

"Corpus Christi, huh? Ist ja nicht gerade um die Ecke. Und nen heißes Pflaster noch dazu... Wieviel habt ihr?"

Vikki beschränkt sich erstmals darauf, gut auszusehen. Bei der Preisverhandlung wird sie notfalls aber eingreifen, wenn der Typ zu viel verlangt. Sie kann sich schon denken, dass so etwas sehr viel kosten wird.

"Da müssen wir erst mal schauen. Einen Moment..."

Carol überfliegt mit den Anderen ihr Inventar und kommt auf folgende Dinge:

1x Große Lederrüstung
1x Splittergranate
5x Wurfmesser
10x Schuss .223er
1x Funkgerät

Das Feilschen überlässt sie lieber Vikki. Falls Ken das nicht reicht, müssen sie wohl tiefer in die Tasche greifen - aber sie hält es für klüger erst einmal nicht zu viel zu bieten. Zu verschenken haben sie ja auch nichts...

Gerry legt - wenn auch ungern - noch 50 Patronen mit bei: "So - nun aber..."

Ken, der vermutlich irgendeine andere Reaktion erwartet hat, fängt an zu lachen, als Carol und Co. ihren Flohmarkt auf dem Boden ausbreiten. "Und was soll ich damit, außer weiterverkaufen!? Geht auf den Market damit, ich bin kein Händler - mit dem Mist kann ich nichts anfangen! Sofern ihr keine X10 Zelle einstecken habt, fällt das Taxifahren sowieso aus. Die Kiste schafft nur noch Schrittgeschwindigkeit. Irgendwas ist da zu Bruch gegangen, aber wir bekommen's ums Verrecken nicht hin. Hocke schon seit Tagen hier fest und langsam gehen mir die Caps aus... Wenn sich von euch wer mit High-Tech auskennt, kann er ja mal nen Blick riskieren. Solltet ihr die Mühle wieder flott bekommen, fahr ich euch für lau. Ohne Wagen kann ich mir sowieso nen neuen Job suchen..."

Keiner in der Gruppe hat eine Ahnung, was eine X10 Zelle überhaupt sein soll. Keiner außer Gerry, der davon schon einmal in einem Buch gelesen hat: Als Ende der 2060er, Anfang 2070er die ersten Fusionszellen auf den Markt geworfen wurden, gab es noch viele verschiede Varianten für alle möglichen Maschinen, Geräte und Fahrzeuge. Mit der Zeit wurde der Einfachheit halber ein Standard geschaffen, der zwar nicht alle Lebenslagen abdecken konnte, den schier unüberschaubaren Wirrwarr auf dem Markt aber immerhin deutlich einschränkte. Dieser Standardtyp ist das, was heutzutage im Umgangston als 'Mikrofusionszelle', 'Fusionszelle' oder auch 'MF-Zelle' bekannt ist. Die X10 ist nichts anderes als eine besondere Art der Fusionszelle, etwa halb so groß wie eine altmodische Autobatterie und vermutlich auf das hier betroffene Vehikel maßgeschneidert.

"Eine X-10 also... General Atomics Microfusion Unit - gebräuchlich in Fahrzeugen, die 4 Tonnen Gesamtgewicht nicht überschreiten..." meint Gerry. Er denkt nach und versucht sich an die typischen Eigenheiten dieses Dings zu erinnern: "Möglicherweise finde ich raus, was genau damit ist. Und wenn ich das rausfinde - finde ich vielleicht sogar etwas, um es zu reparieren. Versprechen kann ich natürlich nichts..."

Schon klar, das er mit ihrem Gerümpel so direkt nix anfangen kann. Aber grob überschlagen kann man den Wert ja trotzdem. Carol zuckt nur mit den Schultern.

"Bevor wir unser Zeug zu Geld machen wollten wir aber wissen wie viel wir dafür aufwenden müssen. Wäre ja Quatsch ohne Preisvorstellung an die Sache heranzugehen. "

Aber gut, wenn die Karre eh streikt...Von X10 hat sie noch nie was gehört. Autos findet sie zwar interessant, aber wozu damit beschäftigen wenn sie eh keines hat. Zumindest Gerry klingt als würde er etwas davon verstehen. Das ist das Praktische an ihm - irgendwie weiß er zu allem etwas. Mit etwas Glück kommen sie noch verhältnismäßig billig von hier weg.

"Huh...dachte, die Kisten fahren alle mit den gleichen Zellen. Hast du von sowas Ahnung? Wirf doch mal einen Blick unter die Motorhaube, vielleicht sind wir dann schlauer..."

Sie packt ihr Zeug wieder ein und wendet sich direkt an Ken.

"Für lau also? Deal. Wir sehen, was wir machen können. Oder besser Gerry hier sieht, ich versteh von dem Kram nicht so viel."

Auch Gerry versteht von Autos nicht so viel, zumindest nicht was die praktische Handhabe angeht. Er tritt heran und schaut sich die Innereien des Fahrzeugs an. Die X10 sitzt mittig an ihrem Platz und ist - soweit er beurteilen kann - korrekt an den Motor angeschlossen. Neben der X10 sitzen noch diverse Energiezellen: Ein Hybrid-System, bei dem E- und MF-Zellen gemeinsam für die Energieversorgung sorgen. Alles sieht soweit normal aus und er kann keine Fehler feststellen. Verwundern tut ihn das nicht besonders, immerhin ist davon auszugehen, dass Ken und sein Kollege selbst brauchbare Fahrzeugmechaniker sein dürften - und auch sie haben sich die Zähne ausgebissen.

Gerry kommt zu dem Schluss, dass er hier nicht viel ausrichten kann. Blindes Herumgebastel bringt ihn definitv nicht weiter, zumal man für High-Tech dieser Art besonderes Werkzeug benötigt, welches er nicht besitzt. Das muss sich jemand ansehen, der mehr von diesem Kram versteht als er und bestenfalls auch noch Praxiserfahrung besitzt.

"Möglicherweise kennt Mr. Fuller jemanden mit dem richtigen Werkzeug. Würde ich daran jetzt rumschreinern, könnte mehr kaputtgehen, als daß es hilfreich wäre." kratzt sich Gerry am Kopf. Er wendet sich zu Ken: "Sie beide sind ja ebenfalls recht versiert - ansonsten wäre das Fahrzeug schon wesentlich eher in die Knie gegangen."
Einen Blick zurück unter die Kühlerhaube werfend meint er: "Zu wissen, wie was funktioniert - und zu wissen, was man tun muss, damit es funktioniert ist aber etwas Anderes, als zu wissen, WARUM es nur so funktioniert. Und: Es gibt weder Brand- noch Schwelspuren - also gehe ich davon aus, daß es entweder etwas so Absurdes ist, daß keiner daran denkt - oder aber ein Ermüdungsvorfall in der Steuerelektronik - wie eine gebrochene Kaltlötstelle. Aber um diese Fusionszelle fachgerecht zu öffnen - und zu reparieren - da braucht´s Einiges für."

"Tja, heißt ihr könnt uns auch nicht helfen, richtig!?", resumiert Ken. Er zuckt die Achseln. "Hätte mich auch gewundert. Wenn ihr nichts mehr habt, wir machen dann hier mal weiter..."

"Ohne Werkzeug kommen wir dann wohl nicht weiter. Ne Hightech-Werkstatt haben wir logischerweise nicht in der Hosentasche, aber wenn ich das richtig sehe könnt ihr das auch nicht einfach so reparieren. Ich wüsste da jemanden der uns weiterhelfen könnte. Wir sorgen dafür, das die Zelle wieder läuft und kommen für die Kosten auf - dafür nimmst du uns umsonst mit. Wäre das ne Idee?"

Geht ihm nicht das Geld aus? Die Söldnerin hat angenommen, das das Problem hauptsächlich darin liegt.

"Sicher", antwortet Ken. "Besser als die ganze Sache an den Nagel zu hängen und Scheiße zu schaufeln... Was genau hast du vor?"

"Ich werde mal bei Fuller's Trades nachfragen. Der handelt schließlich unter Anderem mit sowas. Wenn man uns da nicht helfen kann, haben Fuller und wir immer noch eine gemeinsame Bekannte, die Hightechkram fachgerecht zerlegt - die wird dann wohl auch die nötigen Mittel und die Kenntnisse haben um sich die Zelle mal genauer anzusehen. Bei ihr werden wir uns auf einen fairen Preis einigen können. "

Hoffentlich, denn in Geld schwimmen sie ja auch nicht gerade...Aber Li gibt sich mal zuversichtlich.

"Na dann... viel Erfolg. Wir machen hier mal weiter.", erwidert Ken und steckt den Kopf wieder unter die Haube.

"Macht das." Carol nickt den Anderen kurz zu.

"Schauen wir bei Fuller vorbei....Aber vorher will ich noch was essen." Meint sie noch und massiert mit einem leisen Ächzen ihren Nacken. Hoffentlich ists das Hin und Her auch wert. Billig wird es zumindest schon mal sicher nicht...Egal. Jetzt steuert sie erst einmal den nächsten günstigen Stand an, bevor sie noch vor Hunger umkippt.

Die Gruppe stillt ihren Hunger an einem Imbissstand auf dem Weg zurück zum Market. Vermilion, Gerry und Vikki geben jeweils 10 Caps aus, Carol - mit ihrem großen Hunger - dagegen 20. Anderswo besorgt sich auch Torque etwas zu Essen, natürlich ebenfalls für 20 Caps. (Er ist jetzt nahezu pleite und hat nur noch 20 Caps übrig...)


Es ist Nachmittag und geht langsam gegen Abend, als die Gruppe (minus Torque) schließlich wieder Fuller's Trades betritt. Ein paar Kunden wuseln umher und zwei unterhalten sich gerade mit Fuller, der hinter seiner Theke steht. Die Gruppe sieht zu ihrer Überraschung auch Claire im Laden. Die quirlige Blondine hat ihnen den Rücken gekehrt und durchstöbert die beeindruckende Leseecke, deren Regale mit alten Comics, Magazinen, Romanen und Fachliteratur vollgestopft sind. Sie zieht ein dünnes Heft heraus und beginnt es durchzublättern...

So ein Zufall. Immerhin etwas Lauferei bleibt ihnen also heute erspart. Inzwischen gesättigt ist die Laune der Dunkelhaarigen schon wieder im mittelguten Bereich. Zielstrebig marschiert sie auf Claire zu und tippt ihr mit einem dünnen Lächeln auf die Schulter.

"Hey. Hatte mir schon gedacht, dich in der Nähe zu treffen. " Flüchtig fällt ihr Blick über die von ihr ausgewählte Lektüre, ehe sie wieder aufsieht. Dann kommt sie schnell zur Sache.

"Weißt du zufällig, wo wir eine X10-Zelle repariert und aufgeladen bekommen?"

Das Heft in Claires Fingern ist eine Art Comic. Ein gut gelauntes Männlein mit blonden Haaren und blau-gelben Overall scheint darin die Hauptrolle zu spielen. Claire blickt über die Schulter und klappt das Comic zu. "Oh, hi... ja, ich les in meiner Freizeit gerne und hier gibt's ne Menge zu finden. Ähm... Wie seid ihr an eine X10 gekommen? Und vorallem: Was wollt ihr damit?" Sie runzelt die Stirn. "Ihr... habt euch nicht nen Wagen andrehen lassen oder!? Die Karossen, die man hier manchmal sieht, bekommt keiner mehr zum Laufen - egal was man euch erzählt!"

Die Dame liest also Comics...Das Männchen kennt sie nicht wirklich, sieht aber albern aus. Carol unterdrückt ein fieses Grinsen.

"Wir wollten Ken's Taxi in Anspruch nehmen, um uns das Ken Po-Angebot in Christi vor Ort anzusehen. Aber seine Zelle ist anscheinend hinüber, also versuchen wir das Teil für ihn zu reparieren...Dann nimmt er uns mit. Er selbst hat nicht das Werkzeug dafür...oder genug Ahnung. Dachte mir also, das du vielleicht die nötigen Mittel dafür hast...Oder jemanden kennst."

Sie räuspert sich.

"Viel können wir nicht bezahlen, aber wir kratzen zusammen, was wir entbehren können..."

"Ah, Ken also..." Sie schmunzelt. "Hat seine Mühle endlich schlapp gemacht... armer Kerl." Sie schiebt das Comic zurück ins Regal. "Und ich kenne keinen besseren High-Techler in der Stadt als mich - jedenfalls keinen, den ihr bezahlen könnt. Wunder kann ich allerdings keine vollbringen." Sie rümpft die Nase. "Hm. Ich könnte mir die Zelle mal ansehen, aber wenn sie richtig im Arsch ist, dann ist sie im Arsch. Das ist Fusionstechnik - das kann man nicht einfach mit nem Hammer und nem Schraubenzieher wieder zurchtklemptnern. Wenn die inneren Reaktionskammern beschädigt sind, ist der Ofen aus. Die zu öffnen wäre reichlich bekloppt, außerdem macht man die Zelle damit irreparabel kaputt, sofern sie einem dann nicht schon um die Ohren geflogen ist... Wo ist das Ding?"

"Da, wo sie hingehört - im Auto des Besitzers." bemerkt Gerry trocken.
"In letzter Zeit lerne ich reichlich vielee Kens kennen. Rein statistisch müsste bald schon der dritte aufkreuzen." lächelt er vor sich hin.

Carol nickt ihr anerkennend zu.

"Wäre klasse, wenn du es dir anschauen könntest. Die Karre steht gerade vor ner alten Autowerkstatt. Ken und noch wer schauen sich das gerade an, kommen aber keinen Schritt weiter. Wenn du Zeit hast, können wir gleich dorthin gehen."

"Wenn die Zelle nicht funktioniert, gehört sie auch nicht ins Auto.", entgegnet Claire, nicht minder trocken. "Bringt sie mir her. In Bens Bastelzimmer kann mir damit dann die Zeit vertreiben. Über nen Preis reden wir, falls ich das Problem beheben kann."

Noch mehr Lauferei...

Innerlich seufzt die Söldnerin leise. Wenn die Karre erst wieder läuft wird sie froh sein, aber bis dahin...

"Super, danke. Sind gleich wieder da."

Also wieder zurück zu Ken...

"Wenigstens haben wir sie gefunden." meint Gerry.
"Diese Rumlatscherei von Pontius zu Pilatus muss ja mal irgendwas bringen. Würde mich nicht wundern, wenn Ken mitkommen will - wer rückt schon einfach so mal´n Motorenbauteil raus?"

Die Gruppe kehrt zurück. Ken ist inzwischen alleine. Er hockt halb auf der geschlossenen Motorhaube seines Wagens und gönnt sich ein Bier. Als Carol und Co. erneut aufkreuzen, schaut er auf. "Ihr schon wieder. Gibt's was Neues?"

"Wir schon wieder." bestätigt Gerry.
"Also: Wir haben eine Möglichkeit gefunden, das Ding mal genauer untersuchen zu lassen. Ich gehe davon aus, daß daran noch Interesse besteht?"

Die Frage vom Doc ist wohl rhetorisch gemeint. Carol schmunzelt schief und ergänzt mal zum Stand der Dinge.

"Ja. Wir haben besagte Bekannte gefunden, die sich die Zelle ansehen will. Claire aus Tuckers Gruppe, falls dir der etwas sagt...und ist auch mit Fuller bekannt. Wenn sie einen Blick darüber geworfen hat, kann sie uns sagen ob noch was zu retten ist. Sie wartet auf uns, also bau das Ding aus und dann gehen wir zusammen."

"Tucker... Tucker...", überlegt Ken und fährt sich mit der Hand über Kinn und Wangen. "So'n alter Haudegen, oder? Sucht Schätze und sowas!? ... Ja, den hab ich schon mal gefahren. Und ja, Interesse besteht noch immer, was denkst du denn!? Ohne die Kiste hier bin ich aufgeschmissen!" Er stößt sich vom Wagen ab, leert die Bierflasche und wirft sie achtlos zur Seite. "Na schön. Zu verlieren gibt's nichts. Bauen wir das Miststück aus..."


Es dauert ein paar Minuten, dann steht Ken mit der X10 in Händen vor ihnen. Das Ding ist nicht übermäßig groß, scheint aber ganz gut was zu wiegen. "Also.", meint er. "Fuller's Trades oder? Dann los..."


Die Gruppe marschiert wieder zurück - der Weg ist ihnen inzwischen ja bestens bekannt. Nach all dem hin und her erreichen sie abermals Fullers Geschäft. Der frühe Abend ist angebrochen. Claire hockt nahe der großen Eingangstür auf einem Klappstuhl und liest in einem dicken Buch mit blau-grauem Einband. Als die Gruppe sich nähert, blickt sie auf. "Na da seid ihr ja endlich. Dachte schon ihr habt euch verlaufen..." Sie steht auf und trabt zu Ken, der sie knapp grüßt. "Tach auch.", grüßt Claire zurück und schaut auf die Fusionszelle. "Hm. Sieht doch ganz gut aus. Wo genau ist das Problem?" Ken zuckt nur die Achseln. "Der Wagen fährt, aber nur Schrittgeschwindigkeit. Wir sind alles durch. ALLES! Bis auf die letzte Schraube! ... Es kann nur an der Zelle liegen - aber wir bekommen's nicht raus."

"Na schön.", meint Claire. "Trag mir das Ding hoch in die Werkstatt - da seh ich's mir an. Danach brauch ich Ruhe. Kommt morgen Mittag wieder, vielleicht weiß ich bis dahin mehr." "Geht das nicht anders?", fragt Ken. "Ich soll die X10 einfach hier lassen und abdampfen!? Wer sagt mir, dass du sie nicht an den nächsten verhökerst!?" Claire verzieht genervt den Mund und kräuselt die Stirn...

"Solange sie nicht funktioniert hat sie sowieso keinen grossen Wert für dich, oder?" meint Vikki, die sich sowas schon gedacht hat. "Sonst kannst du dir auch etwas als Kaution aussuchen, dass du dann Morgen Mittag wieder eintauschen kannst." schlägt sie vor.

Li verschränkt langsam ein wenig ungeduldig die Arme. Vikkis Vorschlag ist zwar ganz nett, aber eigentlich sieht sie das gar nicht ein. Warum hängt sich dieser Zausel jetzt an Kleinigkeiten auf? Sowas war doch absehbar.

"Mal davon abgesehen das Claire und auch Mr. Fuller mit so einer dummen Aktion ihren guten Ruf aufs Spiel setzen würden - soll es jetzt an so einem Quatsch scheitern? Ohne ihre Hilfe siehst du eh alt aus. Wir übrigens auch. Lass sie einfach ihre Arbeit machen und dann sehen wir morgen weiter."

"Schön. Nachdem wir uns also einig darüber sind, daß Miss Claire uneingeschränkt vertrauenswürdig ist - werde ich mir nun endlich mal ein paar Zigaretten besorgen - werden wahrscheinlich nicht viele sein." meint Gerry mit sachlichem Tonfall. Nicht, daß er jetzt so süchtig nach den Dingern wäre wie manch ein Anderer hier - aber er könnte wirklich so langsam mal etwas in der Art verkraften.
Rauchen ist ungesund, hieß es mal vor einiger Zeit - seltsam. Indianer wurden von allen Naturvölkern am ältesten - und die haben manchmal Zeugs geraucht, das nicht mal in der Nähe von Tabak gelegen hatte. Ist wahrscheinlich wie mit Schinken - Rauch konserviert.

Heutzutage ist eigentlich alles ungesund - also ist es egal.

Ken schaut etwas peinlich berührt aus der Wäsche. Sein Blick schwingt zwischen Vikki, Carol und Claire hin und her. "Ok, ok, ihr habt ja Recht. Bin etwas angespannt wegen dieser ganzen Sache. Dachte, bevor ich es aus der Hand gebe und verliere, könnte ich es gleich selbst an einen Bastler verkaufen, wenn gar nichts anderes mehr geht, aber... na schön. Behalt die Zelle hier und schau sie dir bitte an, ok? Es tut mir Leid. Ich weiß die Hilfe wirklich zu schätzen."

Claire setzt ein schiefes Lächeln auf. "Klingt schon besser, Amigo. Na dann..." Sie nickt zu einer Tür. "In den Privaträumen oben haben Fremde nichts verloren, aber da ich die Zelle nicht selbst schleppen will, machen wir da mal ne Ausnahme. Komm mit..." Sie wendet sich noch einmal an die anderen: "Wir sehen uns dann morgen Mittag, ja? Falls ich gerade nicht im Laden sein sollte, wenn ihr kommt, haut einfach Ben an. Ich werd ihm Bescheid geben."

"Ist ja verständlich, aber mach dir mal keinen Kopf. Das wird schon." Die Söldnerin nickt zufrieden, als Ken es doch noch einsieht und blickt zu Claire.

"Okay, wir schneien dann gegen Mittag wieder vorbei. Bis morgen also!" Mit einem kurzen Wink wendet sie sich zum Gehen. Da sie selbst noch genug Kippen hat, wird sie wohl ziemlich zeitig zu Bett gehen...

Und nachdem Gerry sich davon überzeugen konnte, daß sein Vorhaben momentan finanziell nicht abgesichert ist - geht er ebenfalls schlafen.

Nach einem Blick in seine Geldbörse, die noch 48 Caps aufweist, verwirft Gerry den Gedanken an Zigaretten vorerst und begnügt sich damit, den Tag zusammen mit seinen Kameraden ruhig ausklingen zu lassen. Tag 3 in Fort Worth geht zu Ende. Abermals übernachtet die Gruppe in der lausigen Herberge, was abermals 10 Caps pro Kopf verschlingt. So langsam muss sich der eine oder andere Gedanken machen, wie er in absehbarer Zukunft über die Runden kommen will, besonders wenn es möglichst bald wieder auf Reisen gehen soll...


Der nächste Tag beginnt früh, da alle sehr zeitig zu Bett gegangen und etwa 8 Stunden später wieder ausgeschlafen sind. So langsam merkt man die mangelnden Hygienemöglichkeiten in der Herberge: Die Gruppe sieht etwas verlottert aus und ist - von marginaler Handwäsche mit nur wenigen verfügbaren Litern Wassern abgesehen - ziemlich stinkig unterwegs. Haare sind fettig, die Haut zu Teilen dreckig. Natürlich entsprechen sie damit nur dem breiten Ödlandstandard, es wird sich also vermutlich kaum einer groß daran stören - hier im Armenviertel zumindest mit Sicherheit nicht.


Bis zu dem Treffen mit Claire ist es noch viele Stunden hin, daher können sich alle zunächst noch die Zeit vertreiben oder sich nach einem Tagelöhner-Job umsehen. Eventuell geht auch etwas für den gesamten Tag, wenn man das Treffen in eine Art Mittagspause schiebt und danach wieder arbeiten geht - es liegt an jedem selbst, wie er oder sie sich den Tag vorstellt und inwiefern dabei etwas herauskommt...

Also wird Gerry sich wieder nach etwas umsehen, das ihm und seinen Fähigkeiten entspricht - Geschirrspülen oder Kleinigkeiten reparieren, auf die man nicht Nuklearphysik studiert haben muss - und das wird er dann auch den ganzen Tag lang durchziehen - damit wenigstens ein paar Mücken in´s Haus kommen.

Am nächsten Morgen bringt Li Torque auf den neusten Stand der Dinge. Ihre Tagesplanung sieht zu ihrem eigenen Unmut in erster Linie Arbeit vor. Sie braucht langsam wieder Geld...Also beschließt sie sich dann wohl oder übel einen Job für diesen Tag zu suchen. Claire wird sie dann eben in einer Pause oder so besuchen. Wirklich wichtig sind sie ja nicht - erst wens ans Bezahlen geht.

Vermilion versucht auch einen Job zu finden, doch mit ihren 'Qualifikationen' ist dieses Unterfangen wohl aussichtslos. Wenn sie nicht gerade bei einem Metzger aushelfen kann, oder sie jemand für das Putzen von Waffen und schleifen von Messern bezahlt, dann wird sie durch den Tag hindurch nicht viel schlaues machen. Ihr Notfallplan sieht vor, sich bei Fullers in der Waffenabteilung umzusehen und dabei neue potentielle Freunde zu finden - solche, die sie sich vermutlich nicht leisten kann.

Da sie noch ein paar Deckel übrig hat, sucht sich Vikki eine Möglichkeit, sich richtig zu waschen, um frisch in den Tag zu starten.
Dieser besteht dann bis zum Mittag darin, für die Sachen, die sie verkaufen wollen, den bestmöglichen Preis zu erhalten. Dabei nimmt sie auch in Kauf mehrmals zu tauschen, um zuerst wertvollere Gegenstände zu erhalten - und diese dann gegen Caps oder nützliche Rationen einzutauschen. Dabei ist natürlich eine gute Verhandlungstaktik wichtig, doch da kennt sie sich ja aus.

Torque lässt sich auf den neusten Stand bringen. Sein Gesicht sieht heute nur minimal besser aus als gestern, aber er ist schon wieder halbwegs guter Laune und sein Look macht ihm nicht viel aus. Er und Carol finden erneut einen Kisten-Schlepp-Job auf dem Market, tragen sich die Arme lang, werden aber nicht wirklich reich damit. Gegen Mittag treibt sie der Hunger wieder schwer in den Geldbeutel. Als schließlich der Abend anbricht und ihr vierter Tag in Fort Worth langsam endet, haben sie beide jeweils 25 Caps verdient. Immerhin sind sie satt und das Zimmer ist bezahlt...


Gerry hat noch weniger Glück. Er macht sich alleine auf die Socken, findet erst überhaupt nichts und verbringt dann die zweite Hälfte des Tages in irgendeiner Kaschemme und räumt den Dreck der Besucher weg. Nach Abzug von Essen und Unterkunft bleiben bei ihm grandiose 20 Caps hängen.


Von allen Arbeitssuchenden hat ausgerechnet die zwielichtige Vermilion das meiste Glück. Es ist nicht so, dass sie einen besonders guten Job finden würde... aber ihr wird das Geld sprichwörtlich zugeworfen: Auf dem Shady Market beobachtet sie eine verbale Auseinandersetzung, die schlussendlich eskaliert. Einer der Streithähne reißt dem anderen den Geldbeutel aus der Hand und wirft ihn im Zorn mit Schmackes davon. Das Ding trifft Vermilion mitten ins Gesicht. Bei ihrem Anblick suchen die zwei daraufhin lieber das Weite und überlassen ihr das Wurfgeschoss. Dessen Inhalt: 60 Caps. Nachdem sie normal gegessen und ihre Bruchbude für eine weitere Nacht reserviert hat, sind davon noch 40 übrig...


Vikki geht nicht arbeiten, sie geht sich waschen! Oben im Norden der Stadt, nahe der Wasseraufbereitungsanlage, steht ein Badehaus. Eine Stunde in einer vollen Wanne kostet üppige 50 Caps, aber sie wickelt den Besitzer um den Finger, bezahlt nur 25 und geht so vom Dreck befreit zum Treffen mit Claire. Dort gibt es Gutes und Schlechtes in Erfahrung zu bringen. Das Gute: Claire hat das Problem gefunden und die X10 kann theoretisch repariert werden. Das Schlechte: Die Kosten dafür belaufen sich auf etwa 700 Caps. Herunterhandeln lässt sich Claire nicht, denn wie sie überzeugend erklärt, handelt es sich zum absolut größten Teil um reine Materialkosten. Die Reparatur dürfte grob geschätzt etwa einen weiteren Tag dauern und sie würde damit beginnen, sobald sie das Geld bekommt.

Ungeachtet wie die Gruppe in dieser Sache weiter entscheidet, verschlägt es Vikki in der zweiten Hälfte des Tages dann auf den Market, wo sie den vorher herausgesuchten Krimskrams in Bares verwandelt. Sie tauscht und verkauft:

- 01x Funkgerät
- 01x Große Lederrüstung
- 10x Munition Kaliber .223
- 50x Munition Kaliber .44 AMP
- 01x Splittergranate
- 05x Wurfmesser

Und erhält dafür insgesamt 1480 Caps. Das ist zwar ein nettes Sümmchen, aber Vikki ist der Meinung, dass sie dafür auch mehr hätte bekommen können... Nimmt man die 1480 und zieht die 25 für das Badehaus sowie zweimal 10 für jeweils Essen und Unterkunft ab, bleiben dem Rotschopf schlussendlich 1435 Caps übrig.


Am späten Abend versammeln sich alle in der Nähe ihrer Herberge und tauschen sich aus...

"700 für die Zelle!?", kommentiert Torque den Part mit der Reparatur der X10."Scheiße, das ist 'n Haufen Kohle für ne Taxifahrt! Wollen wir nicht doch lieber für die Eins-Vier Vorräte kaufen und uns zu Fuß aufmachen!? Hmm... Corpus Christi, das sind vielleicht... zweieinhalb Wochen Fußmarsch - wenn wir uns nicht verlaufen oder Probleme bekommen." Er schaut in die Runde und benutzt die Hände zum zählen; dabei murmelt er immer wieder Zahlen. "Erm... das wäre... hm... ok, das wäre Proviant im Wert von über 1000 Caps, oder!? Es sei denn, wir bekommen nen verdammt guten Mengenrabatt." Er verzieht das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. "Heißt also... was tun wir?"

Grübelnd kratzt sich die Söldnerin am Nacken.

"Mal überlegen...gut zwei Wochen laufen, mit Viehzeug und Raidern auf dem Weg...Gerrys Koffer muss auch wieder getragen werden...und am Ende haben wir nichts gespart, im Gegenteil. Allein die Rationen summieren sich ordentlich. 700 ist ein ziemlich faires Angebot, zumal wir ja öfter mit Kens Karre fahren könnten. Wenn er dank uns seinen Job behält, lässt er in Zukunft sicher mit sich verhandeln."

Für Carol gibt es da nicht viel zu überlegen. Sie sparen sich einen elend langen Laufweg und geben am Ende sogar noch weniger Deckel dafür aus, das sie bequem innerhalb weniger Tage in Corpus ankommen.

"Ich wäre eindeutig dafür. Vom restlichen Geld können - und sollten wir trotzdem Vorräte einkaufen. Falls sein Wagen liegen bleibt oder Corpus einen Engpass hat. "

Hungern ist ein ziemlich mieses Gefühl. Solange sie Geld haben, spart sie sicher nicht noch einmal am falschen Ende. Zigaretten wird sie auch wieder einige brauchen. In Corpus gibt es die zwar auch, aber man weiß ja nie...Besser, sie haben erst mal vorgesorgt.

"Ich bin für´s `Taxi-fahren´ - wir sparen Zeit und haben dann, wenn wir Wert drauf legen - noch mehr Rationen für spätere Vorhaben. Und vor allem: Wenn wir fahren, muss eventueller Ärger unterwegs ganz schön flott sein, um uns den Tag zu versauen. Eine gute Chance auf einigermaßen stressfreies und zügiges Reisen. Stellt euch vor - wir latschen nach Corpus Christi - fragen nach diesem Ken - also, dem mit dem Boot - und kriegen dann zu hören, daß der schon abgelegt hat?" gibt Gerry zu bedenken.

"Das wäre wirklich nicht sehr erfreulich. Aber dann ist ja alles klar. Wir nehmen das Taxi und investieren den Rest in Vorräte. Wobei wir doch eine Reserve behalten sollten, ganz ohne Kohle will ich nicht in Corpus Christi stehen."
Wenigstens kann sie in Corpus dann eher ihre Art von Geschäft abwickeln, als hier, wo die Ranger allgegenwärtig sind. Dies dürfte sehr nützlich sein, falls etwas nicht nach Plan verläuft.

"Na schön.", meint Torque. "Dann investiert mal. Ich hab nicht viel zum investieren. Wenn das mit dem Reparieren noch nen Tag dauert, werd ich morgen wieder Kisten schleppen. Hab schon aufregendere Sachen gemacht, aber hey - es ist leichtes Geld. Irgendwer sollte auch diesem Taxifahrer Bescheid sagen! Am Besten wir erledigen den ganzen Mist gleich, dann ist er vom Tisch und diese Claire kann endlich anfangen zu arbeiten. Hier noch länger abzuhängen ist irgendwie sinnlos. Worth war lustig, so lange es Geld zum ausgeben gab..."

Gerrys Einwand hatte die Dunkelhaarige ebenfalls schon bedacht - sie ist der gleichen Meinung. Nur weil die Vorbereitungen lange andauern heißt das ja nicht, das Ken Po in Kürze nicht schon loslegen kann.

"Stimmt, alles nicht...Aber einen guten Teil eben."

Vikki hat Recht, ein bisschen Geld sollten sie behalten. Allein für Übernachtungen und dergleichen. Wer weiß, ob Ken sie überhaupt verköstigt. Das werden sie alles noch vor Ort sehen.

"Ich hab schon schönere Tage in Worth erlebt..." Murmelt sie bei Torques' Worten noch und denkt dabei an Steak und saubere Betten mit duftenden Blondinen. In Corpus ist alles etwas...staubiger, aber nette Ecken gibt es auch dort.

"Gut, geben wir Claire ihr Geld. Ich hab für morgen auch nur Kistenschleppen in Aussicht, von daher...Ohne Geld machts hier wirklich wenig Spaß."

Ein wenig freut sie sich bereits auf die Fahrt. Bei Raven hat es ja leider nicht geklappt. Sie ist schon gespannt, ob sich in Corpus etwas seit ihrer Abreise getan hat...

"In der Tat - möglicherweise wird der Fahrtwind mich mal etwas `entmiefen´." grummelt Gerry.

"Bisschen Wasser hätte den gleichen Effekt." Meint Li mit einem säuerlichen Lächeln und hat sich vorgenommen zumindest am Tag ihrer Abreise etwas Waschwasser zu erwerben.

"Okay...Gehen wir noch mal zu Fuller rüber und lassen das Geld da. Danach wird man mit mir sowieso nichts mehr anfangen können..."

Der Tag war anstrengend. Und morgen wird es nicht besser. Nicht mehr lange, und die schlechten Zeiten sind Geschichte...Hofft sie jedenfalls.